Der Klassenlehrer

Der Klassenlehrer begleitet die Schüler durch 8 Schuljahre im Hauptunterricht. In dieser Zeit entsteht eine feste Bindung zwischen Lehrer und Schülern, die das gegenseitige Vertrauen fördert.

Ein großes gemeinschaftliches Ereignis, das ist das Klassenspiel in der 8. Klasse. Die Klassenlehrerzeit geht dem Ende zu, es ist vieles gewachsen, man ist sich vertraut aber man will sich auch absetzen, trennen. Es ist nicht cool, das zu tun, was die Lehrer verlangen. Die Gleichaltrigen sind das Maß der Dinge, aber auch da ist der Umgang alles andere als leicht, so individuell wie jeder heutzutage ist.

So besteht der Konflikt: Theaterspielen ja – aber das in der Schule? Schafft man noch einmal den Bogen zu einer gemeinsamen Höchstleistung, d.h. schafft es der Einzelne seine Bedürfnisse zugunsten der Gruppe zurückzustellen? Das ist der Prozess um den es geht. Das ist das pädagogische Ziel.

Es braucht viel Zeit – zumindest wenn Theaterspielen nicht zu einem immer wiederkehrenden Projekt geworden ist -, um in das Spielen hereinzufinden. Denn in eine Rolle zu schlüpfen, heißt auch eigene Barrieren zu überwinden. Erst nach und nach trauen sich viele überhaupt Bewegungen zum Sprechen hinzuzunehmen und das auch oft erst, wenn ein anderer darin vorausgegangen ist.

Erst einmal wird vieles, was die Lehrer vorschlagen, aus Prinzip abgelehnt – das Stück, das Bühnenbild, die Kostüme. Erst wenn der gemeinsame Prozess beginnt, kann um der Sache Willen über die Dinge geredet werden und es finden sich plötzlich Lösungen – auch neue.
Ganz hilfreich ist es, aus dem normalen Schulalltag auszusteigen. Wir haben uns in der Aula eingerichtet, mit Ort zum Aufhalten, mit besonderen Regeln aber auch mit Verpflegung und anderen Menschen, Eltern bei uns. Die konnten manche Dinge so ansprechen – vielleicht dieselben, aber aus einer anderen Warte heraus –, dass es den Schülern half, sie zu akzeptieren.

Es gab den Punkt, wo eine Entscheidung gefällt werden musste: Will ich das Theaterstück zu einem erfolgreichen Ende bringen oder will ich nur nicht „nicht" ( Unterricht haben ). Am Anfang der vorletzten Woche war das „ich will" bei allen da.

Am Anfang der letzten Woche war aber die Bedeutung dessen immer noch nicht klar. Da musste etwas vom Kopf in den Körper, vom Denken ins Handeln kommen. Jeder einzelne musste Verantwortung für das Ganze übernehmen und all seine speziellen Befindlichkeiten zugunsten der gemeinsamen Sache zurückstellen. Und tatsächlich: es passierte. Trotz der Anstrengung fehlte keiner mehr. Die einzelnen Spieler steigerten ihre Leistung und das 1 3/4 Stunden dauernde Spiel wurde zu einem Gesamtkunstwerk, das die Spannung hielt, den Inhalt den Zuschauern vermitteln und berühren konnte. Manche Schüler haben erst in den Aufführungen ihren Hochpunkt erlebt und sich noch kontinuierlich gesteigert, andere waren schon in der Generalprobe vollständig präsent. Alle sind aber zu ihrer Grenze und zu einem wirklichen gemeinschaftlichen Erlebnis vorgestoßen und so sollte es ja auch sein!

Zu guter Letzt auch noch ein paar Worte zur Auswahl des Stückes. „Der Chronist der Winde" ist kein einfaches, leichtes, fröhliches Stück. Es berührt ein sehr ernstes Thema, macht das aber mit Humor und Klugheit, zeigt, dass eine Gemeinschaft auch unter schwierigsten Umständen möglich ist. Damit hat es viel mit dem Projekt „Klassenspiel" an sich zu tun. Die einzelnen Charaktere sind sehr individuell und lassen damit Raum in ein eigenes improvisierendes Spiel zu finden. Die ganze Geschichte ist eine epische Erzählung, die nicht so sehr durch eine bestimmte Handlung geprägt ist, sie berührt Lebensfragen und lädt ein zum Mitschwingen. Das konnte man sowohl bei den Spielern als auch bei den Zuschauern immer wieder erleben – in der Aufmerksamkeit während der ganzen Aufführung und der guten nachdenklichen Ruhe am Ende über den Applaus hinaus.

Karin Blanke (Klassenlehrerin)

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